davor
Clara.

Porträtfotografie in Corona-Zeiten.

  /  
13. April 2020

Es ist immer noch merkwürdig. Merkwürdig, nicht planen zu können. Merkwürdig, sich überlegen zu müssen, was jetzt wirklich sein muss und was einfach nur nice-to-have ist. Merkwürdig, sein engstes Umfeld nur unter Auflagen sehen (oder eben auch nicht) zu können. Und trotzdem stellt sich eine Gewöhnung – vielleicht auch eine gewisse Apathie – ein. Man kommt schon irgendwie klar. Immer geht es irgendwie weiter. “Du weißt nicht, wozu es am Ende gut ist”, ein Spruch meiner Großmutter, die ich gerade schmerzlichst vermisse, weil ich sie bereits seit vier Wochen nicht mehr sehen darf. Ich wünschte, sie würde mir das einmal als Sprachnachricht aufnehmen, damit ich es immer wieder hören kann. Das Problem ist aber, dass sie es selbst schon lange nicht mehr gesagt hat, denn sie wartet nur noch ab. Sie wartet darauf, dass es schlimmer wird. Dass es in ihrem Zuhause in der Wohnanlage auch losgeht. Dass sie bis dahin nie wieder jemand anderen als ihre direkte Nachbarin auf dem Balkon sehen wird. Was soll ich antworten, wenn ich selbst nicht wissen kann, wie es weitergeht?

In meinem Kopf ist seit Wochen die Hölle los. Sehr früh hab ich das Thema Corona sehr ernst genommen, meine physischen Kontakte schnell beschränkt und nun innerhalb eines Monats genau drei Menschen getroffen. Ich habe täglich die Zahlen gecheckt, die neusten Erkenntnisse aufgesaugt, mich in den Kommentarspalten verloren. Und irgendwann war ich voll. Und immer noch genauso hilflos wie vorher. Die Sorge um die Menschen, die mir wichtig sind, frisst mich immer noch auf und lässt sich nur schwer abstellen. Mittlerweile habe ich aber ein paar Dinge gefunden, die mich – zumindest vorübergehend – ablenken können. Laufen, spazieren, wandern gehörte schon vorher fest zu meinem Alltag und hat jetzt noch mehr Relevanz erhalten. Es reinigt und hilft dabei, über Gedanken nicht zu sehr zu grübeln, sondern sie ziehen zu lassen.

Mir fehlt das Fotografieren. Ich hab zwar so gut wie immer mindestens eine Kamera dabei, dennoch bin ich nicht diejenige, die an ihren täglichen Wegen noch die kleinen Details findet, für die es sich lohnt, die Linse rauszuholen – ich bewundere andere dafür sehr und wünschte mir da häufiger ein klein wenig mehr Leichtigkeit in meinem eigenen Umgang mit der Fotografie. Aber sei’s drum: Mein fotografisches Zuhause sind Porträts. Die Idee, in Corona-Zeiten Shootings über das Smartphone durchzuführen, ploppte in den letzten Wochen einige Male auf meinem Display auf. Zugegeben, darüber nachgedacht hatte ich ebenfalls vorher, aber auf die Idee sind natürlich einige Menschen gekommen. Abgesehen davon, dass ich seine Bilder auch sonst gern mag, hatte beispielsweise Alessio Albi gezeigt, dass selbst eine Webcam ausreicht, um großartige Bilder zu inszenieren.

Probieren wollte ich das in jedem Fall auch. Und als ich über eine Instagram-Story dazu aufgerufen hatte, haben sich erstaunlich viele Menschen – für mich bekannte und unbekannte Gesichter – aus meinem Dunstkreis gemeldet, weil sie es gern mit mir mal versuchen wollten. Ich bin immer wieder dankbar dafür, wenn jemand mit mir experimentieren müsste, schließlich ist das der größte Vertrauensbeweis an mich und meine Arbeit.

An einem noch kühlen Wochenende startete ich also dieses Experiment zunächst mit Helene und danach mit Katja. Beide sind Menschen, denen ich absolut vertrauen kann und ich weiß, dass sie mir niemals böse wären, wenn irgendetwas nicht so klappt wie geplant. Dieses Basis führte nun aber auch dazu, dass unsere Facetime-Gespräche durchaus auch einige andere Inhalte abdeckten als das eigentlich Shooting. Überraschend? Irgendwie gar nicht, denn gefühlt laufen gute Shootings auch mit dem direkten Gegenüber genauso ab. Noch dazu wird jede Menge gelacht – und glaubt mir, die Verrenkungen, die bei der Smartphone-Fotografie erforderlich sind, sind ein sehr guter Ausgangspunkt dafür. In beiden Fällen hatte ich nach den jeweils einstündigen Telefonaten vor allem einen schmerzenden Rücken … und allerbeste Laune!

An die Porträtfotografinnen und -fotografen da draußen: Lasst euch nicht abschrecken davon, Dinge zu tun, die im Zweifelsfall schon hunderte andere gemacht haben. Es ist einfach so egal, solange ihr euch selbst findet, und Spaß habt an dem, was ihr tut, gerade in so unruhigen Zeiten. “Du weißt nicht, wozu es am Ende gut ist.”

Kommentare ansehen & hinzufügen

error: Content is protected !!